Reflux: lat. refluere, zurückfließen. Allg.: Zurückfließen einer Flüssigkeit durch Abschwächung eines Ventilmechanismus. Harnwege: Rückfluss von Harn aus der Harnblase in die Harnleiter und Nieren. Formen: a) aus der Harnblase in die Harnleiter: vesikoureteraler Reflux, b) von der Harnblase über die Harnleiter in die Nieren: vesikoureterorenaler Reflux. c) Reflux bei Konduit: Ileumkonduit, Kolonkonduit. Bis zu 30 % der Neugeborenen mit Meningo­myelozele haben einen vesikorenalen Reflux [61] [62]. Bei etwa der Hälfte der Kinder ist zu erwarten, dass sich der R. zurückbildet, wenn der Druck frühzeitig durch eine medikamentöse Entspannung der Harnblase (durch Antimuscarinica) in Verbindung mit einer Katheterentleerung deutlich unter 40 cm Wassersäule [68] gesenkt wird [67]. Allerdings kann es in Abhängigkeit vom Grad und der Dauer des Bestehens des R. zu einer fortschreitenden Einschränkung der Nierenfunktion kommen [69]. Besteht der R. in Verbindung mit fieberhaften Harnwegsinfektionen weiter, sollte der refluxive Harnleiter evtl. in Verbindung mit einer Harnblasenaugmentation neu in die Harnblase eingesetzt werden. Diagnose: Sonographische Refluxprüfung: Sono­gra­phisch ist ein R. orientierend nachzuweisen. Be­urteilt werden sowohl der Übergang von der Harnblase in den Harnleiter, die Weite des Harnleiters wie auch die Weite der Nierenbecken [90]. Voraussetzung für eine bewertbare Untersuchung sind - vor allem in den ersten Lebensmonaten - ein ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt und eine gefüllte Harnblase. Miktionszysto­urethro­gramm (MCU): Die genaue Klassifikation des Refluxes (s.o. Refluxgrade) wird durch ein MCU ermittelt. Die Durchführung eines MCU ist entbehrlich, wenn eine Videourodynamik durchgeführt wird [139]. Formen bei neurologisch gestörter Harnblase: 1. angeborener (primärer) R.; 2. später entstehender (sekundärer) R., vor allem durch länger bestehenden Überdruck in der Harnblase; hierdurch wird der Antireflux­me­cha­nismus geschädigt. Therapie: Übergeordnetes Ziel ist die Vermeidung von aufsteigenden Infektionen und ein normaler Druck in der Blase. 1. Eine spontane Rückbildung des angeborenen Re­fluxes bei Neugeborenen ist etwa bei einem Drit­tel der Kinder zu erwarten. Voraussetzung ist, dass in der Harnblase normale Druckverhältnisse vorliegen bzw. geschaffen werden, die durch eine Blasendruckmessung regelmäßig kontrolliert werden müssen. 2. Konservative The­ra­pie: Konse­quente Druckentlastung der Harnblase a) durch medikamentöse Erweiterung der Harnblase ( An­­ti­muscarinica) und b) durch regelmäßige Katheterentleerung. 3. Die invasive Reflux­thera­pie bei neurogen gestörter Harnblase ist umstritten. Möglichkeiten: a) Eine Unterspritzung der er­­weiterten Einmündungsstelle des Harnleiters in die Harnblase mit unterschiedlichen Materialien ("bulking agents", vgl. Deflux ®) [71] [72] [89]. Zwar sind die inzwischen verwendeten Materialien gut verträglich, aber der Therapieerfolg (Refluxfreiheit) ist vor allem bei höher­gra­di­gem R. geringer. Bei sekundärem R. reicht die Behandlung der Blasenfunktionsstörung oft schon aus, um einen Rückgang des Refluxgrades oder ein Verschwinden des R. zu erreichen. b) Über die operative Wiederherstellung eines "An­ti­refluxmechanismus" gibt es unter Urologen kei­nen Konsens. Eine absolute Kontraindikation gibt es zwar nicht. Aber auch hier gilt, dass eine konsequente Vermeidung von Überdruck durch Katheterentleerung und medikamentöse Harnblasenentspannung (vgl. Antimuscarinica) sicher gewährleistet sein muss und durch diese Maßnahmen allein oft eine Rückbildung des R. zu erreichen ist. Besondere Vorsichtsmaßnahmen bei Reflux: 1. Therapeutische Techniken (wie Kran­kengymnastik, Entleerungstechniken der Harn­blase und des Darmes), die mit einer Erhöhung des Druckes im Bauchraum verbunden sind, dürfen bei drohendem und bestehendem R. nur ausgeführt werden, wenn zuvor die Harnblase vollständig entleert wurde. 2. Bei bestehendem R. ab Grad III muss bei auftretenden Infektionen eine antibiotische Dauergabe (Dauerprophylaxe) zum Schutz der Nieren [44] erfolgen. 3. Harn­blasenspülungen sind bei einem bestehenden R. (ab Grad III) nicht angezeigt.

Refluxgrade der Harnwege: Einteilung nach Pakkuleinen [22]

Grad I

Grad II

in den Harnleiter

Rückfluss bis zum Nierenbecken ohne Erweiterung

Grad III

Rückfluss bis in das Nierenbecken mit milder bis mäßiger Aufweitung des Harnleiters und / oder des Nierenbeckens

Grad IV

Rückfluss mit mäßiger Erweiterung des Harnleiters mit Schlängelung, mäßige Erweiterung des Nierenbeckens und der verplumpten Harnleiter, Papillen noch erkennbar

 Grad V  Starke Aufweitung und Schlängelung des Harnleiters, starke Erweiterung des Nierenbeckens und der Kelche, Impressionen durch die Papillen bei den meisten Kelchen aufgehoben.
I                         II                              III                                IV                                   V       

Abb.: Refluxklassifikation schematisiert nach den Richtlinien der „International Reflux Study Group“ (modifiziert nach Lebowitz [128]).

refluxiv: von einem Reflux betroffen, es besteht ein Reflux; z.B. ein refluxiver Harnleiter, d.h. es besteht ein krankhafter Rückfluss von Urin in den  Harnleiter.

Refluxnephropathie: Veränderungen der Nierenstruktur und Nierenfunktion. Ursachen: Infektion: Krankheitserreger aus der Harnblase erreichen über die erweiterten (refluxiven) Harnleiter die Niere(n) („aufsteigende“ Infektion), infizieren die Nieren und zerstören Nierengewebe. Nachweis der R.: 1. Bildgebende Verfahren geben Hinweise auf die Größe/ Verkleinerung der Nieren, Veränderung der Nierenform, Aufweitung der Nierenbecken und Nierenkelche. Methoden: a) Ultraschall, b) Refluxzysto­gramm, c) (i.v.-Urogramm heutzutage nur noch in sehr seltenen Fällen indiziert). 2. Szintigramm: a) seitengetrennte Clearance (Nierenfunktion, Nierengröße und Form: orientierend, Harnleiter orientierend), b) DMSA-Szinti­gramm (Methode der ersten Wahl um Narben festzustellen). Blutuntersuchungen: Untersuchung der Nierenfunktion durch Bestimmung der Blutbestandteile, die durch die Nieren ausgeschieden werden (harnpflichtige Substanzen). Vorbeugende Maßnahmen: Antiinfektiöse Dauer­­prophylaxe [44], operative Korrektur.

Refluxprüfung: Reflux, Diagnose.

Refluxtherapie: vgl. endoskopische R. mit Deflux ®, vgl. Antirefluxplastik. 

   
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