Harnblasenlähmung: Vollständige oder teil­weise Lähmung des Harnblasenhohl­muskels und des Harnblasenverschlusses (M. sphincter vesicae, Muskeln). Ursachen: Die H. ist im Wesentlichen durch angeborene und sich später entwickelnde neurologische Rückenmarksveränderungen vorgegeben. Formen: Sowohl der Blasenhohlmuskel als auch der Blasenverschluss können in unterschiedlichem Ausmaß neurologisch beeinträchtigt sein. Die Grundspannung der verschiedenen Harnblasenmuskeln kann zu hoch (+++), normal (N) oder zu niedrig (- - -) sein oder die Muskeltätigkeit von Harnblase und Verschlussmuskeln läuft unkoordiniert (dyssynerg) ab. Hieraus ergeben sich unterschiedliche Lähmungstypen und unterschiedliche Risiken. Diagnose: a) Ein Kern­spintomogramm von Gehirn und Rückenmark (der kraniospinalen Achse) gibt Hinweise auf Ursachen der H.; b) anatomische Veränderungen der H. sind sonographisch (vgl. Ulteraschalluntersuchungen), röntgenologisch (Zystogramm, Reflux­zysto­gramm) oder szintigraphisch festzustellen, c) Art und Ausmaß der Harnblasen-Funktionsstörun­gen (vgl. nachfolgende Übersicht) werden durch die Blasendruckmessung genauer beschrieben.

Harnblase: Funktionsstörungen

Aktivität

der Blase

 Aktivität der Schließmuskeln  Nierenrisiko

Auswirkungen

auf die Kontinenz

+++

+++

Hoch

Ungünstig

+++

N

Mäßig

Ungünstig

+++

---

Gering

sehr ungünstig

N

+++

Mäßig

Günstig

N

N

Fehlt

Normal

N

---

Gering

Ungünstig

---

+++

Mäßig

Günstig

---

N

Mäßig

Normal / mäßig

---

---

Gering

Ungünstig

      Zeichenerklärung: +++  hoch, --- niedrig, N normal

 

 

Klinisch wichtige Lähmungstypen der Harnblase [136] [139]

Zeichenerklärung: Blasenhohlmuskel / Blasenverschluss, +++: hoch, ---: niedrig

 

Lähmungstyp: +++ / +++  Sog. Risikoblase oder Hochrisikoblase.

Kennzeichen: Die Grundspannung von Blasenmuskel und Blasenverschluss ist ständig zu hoch. Die durch Überaktivität des Harnblasenmuskels kleine Harnblase kann sich durch die gleichzeitig bestehende Überaktivität des Harnblasenverschlusses nur mit krankhaft hohem Druck entleeren. Unbehandelt sind bereits im Säuglingsalter Nierenschädigungen zu erwarten. Folgen: 1. Das Füllungsvolumen der Harnblase ist gering. 2. Bereits bei geringer Füllung treten ungesteuerte Entleerungsversuche der Harnblase auf (d.h. es besteht eine niedrige Compliance). Hierdurch kommt es 3. zur häufigen Entleerung kleiner Urinmengen, d.h. es bestehen nur kurze Trockenphasen. 4. Meist wird die Harnblase unvollständig entleert, es verbleibt Restharn und es entstehen Harnwegsinfektionen. 5. Durch die krankhafte Überaktivität des Blasenmuskels verdickt sich die Harnblasenwand, wodurch verschiedene Formen der Balkenblase entstehen. 6. Durch den hohen Druck können ausgeprägte Formen von Reflux in die Harnleiter und Nieren entstehen. Diagnostik: Blasendruckmessung. Therapie: Harnblase: a) medikamentöse Harnblasenentspannung; b) regelmäßige Katheterentleerung; Schließmuskel: Harnblasenverschluss.

 

Lähmungstyp +++ / ---

Kennzeichen: Der Blasenmuskel ist überaktiv, die Grundspannung der Muskeln, die die Harn-

blase verschließen, ist vermindert oder aufgehoben. Folgen: Es besteht eine Harnblase mit kleiner Kapazität (sog. „Durchlaufblase“), die durch Überaktivität zur Schrumpfung neigt. Es kommt häufig zur Entleerung kleiner Urinmengen. Diagnose: Blasendruckmessung. Therapie: Harnblase: a) Harnblasenentspannung, ggf. Blasenaugmentation, b) intermittierende Katheterentleerung. Schließmuskel: Harnblasenverschluss.

 

Lähmungstyp --- / +++

Kennzeichen: Die Harnblase ist mehr oder weniger schlaff gelähmt. Die Grundspannung (Tonus) der Muskeln, die die Harnblase verschließen, ist erhöht. Folgen: Eine spontane Urinentleerung erfolgt nur bei stärkerer Füllung der Harnblase, dann jedoch unvollständig. In die verbleibende krankhaft hohe Restharnmenge wandern Bakterien ein: es kommt zu Harnwegsinfektionen. Der Harnblasenverschluss ermöglicht längere Trockenphasen. Diagnose: Blasendruckmessung. Therapie: Harnblase: Regelmäßige Katheterentleerung. Schließmuskel: Harnblasenverschluss.

 

 

Harnblasenlähmung - Ursachen, Formen, Diagnosen

 

Lähmungstypen der Harnblase: weitere Bezeichnungen: Automatische Harnblase (Harn­bla­sen­automatie): sog. "Rückenmarksblase". Das sa­kra­le Blasenzentrum sowie die Nervenverbindungen zwischen Harnblase und Rückenmark sind weitgehend erhalten; eine willkürliche Steuerung vom Großhirn aus ist jedoch nicht möglich (Lähmung des oberen Neurons oder sog. obere Blasenlähmung). Eine a.H. wird bei einer Rückenmarksverletzung beobachtet, die oberhalb des ersten Brustwirbelsegmentes liegt. Die a.H. ist normal beim Säugling. Bei der Harnblasenfüllung wird (bei der a.H.) der Dehnungsreiz  an  das  Blasenzentrum  im  unteren  Rückenmark  "gemeldet".  Der  Entleerungsreiz erfolgt über den Nervus pel­vi­cus auf den Blasenhohlmuskel, der sich daraufhin unwillkürlich zusammen zieht. Die a.H. wird auch als sog. "normale Quer­schnittsblase" bezeichnet; weil sich die Harnblase meist vollständig entleert, kommt es nicht zu Infektionen. Die Entleerung kann durch Beklopfen der Harnblase (Triggern) eingeleitet werden. Autonome Harnblase (Harnblasenautonomie): selbstständige, unwillkürliche Entleerung durch unregelmäßiges Zusammenziehen einzelner Abschnitte des Blasenhohlmuskels. Hierbei werden nur kleine Urinmengen entleert, weil diese Muskelgruppen nicht zu einer Leistung fähig sind, die zu einer größeren Entleerung von Urin führen würde; hierdurch bleibt in dieser gelähmten Harnblase eine größere Menge von Restharn, was zur Infektion der Harnwege führen kann. Ursache der a.H. ist die Zerstörung des im sakralen Rückenmark gelegenen Blasenzentrums. Das Zusammenziehen der Harnblasenmuskelgruppen wird durch nervöse Schaltzentren (Ganglien) ausgelöst, die in der Wand der Harnblase liegen (sog. autonome neurologische Aktivität). Instabile Harnblase: Gestörte Funktionsabläufe bei neurologisch gestörter Harnblase. Definition, Diagnose, Therapie: Detrusori­n­sta­bi­lität.

 

   
© ALLROUNDER