Adipositas als Risiko: Allgemeine Risikofaktoren sind a) die Entwicklung einer Zucker ergebenden Erkrankungen der Blutgefäße der Nieren, Augen, der Arme und Beine usw., b) Herz-Kreislauferkrankungen, wie Bluthochdruck, Herzinfarkt, Durchblutungsstörungen des Gehirns, Schlaganfall, c) Einschränkung der Lungenfunktion durch den Hochstand des Zwerchfells bei gleichzeitig erhöhtem Sauerstoffbedarf (durch das adipöse Fettgewebe), was die Ursache einer mangelnden Sauer­stoffversorgung des Gehirns und hiermit verbundenem kurzen Einschlafen (Sekundenschlaf) sein kann. d) Stoffwechselstörungen durch erhöhte Fettwerte im Blut mit Fettleber, Gallenerkrankungen sowie durch erhöhte Schilddrüsenhormone (TSH, T3, T4) und erhöhtes Cortisol [5]; e) psychosoziale Ausgrenzung [63].

Adipositas, Spezielles Risiko bei Spina bifida und Hydrozephalus: Neben den allgemeinen Risiken bestehen weitere mögliche Formen der Beeinträchtigung: 1. obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom. 2. Mobilitätsverlust: Zunehmendes Gewicht ist in der Regel mit einem zunehmenden Verlust an Mobilität durch wesentlich erhöhten Kraftaufwand bei der Fortbewegung, verfrühte Erschöpfung, Verkürzung der beschwerdefreien Gehstrecke usw. verbunden. Jahrelange physiotherapeutische und orthetische Bemühungen zur Ermöglichung und Erhaltung von Mobilität können durch die Entwicklung einer A. zunichte gemacht werden. Eine frühe Beachtung der Gewichtsentwicklung und eine frühe Ernährungsberatung ist deshalb auch zur Erhaltung der Mobilität geboten (Adipositas, Therapie). 3. Begünstigung eines Rückflusses von Mageninhalt in die Speiseröhre (gastroösophageale Reflux­krank­heit). 4. Begünstigung von entzündlichen Erkrankungen der Atemwege (Bronchitiden) und des Lungengewebes (Lungenentzündung, Bronchopneumonie) durch Minderbelüftung der Lungen insbesondere bei zusätzlich bestehender Skoliose. 5. Urologisches Risiko: a) Abflussbehinderung von Urin mitvermehrter Restharnbildung und er­höhtem Infektionsrisiko durch mangelnde Aufrichtung und langes Sitzen im Rollstuhl. (S)

Adipositas: Diagnostik

Vorgeschichte

- Bisherige Gewichtsentwicklung (Beurteilung der Längen-/Gewichtskurve)
- Genaue Analyse der Nahrungsaufnahme, vor allem, was ein Übergewichtiger zwischen den Mahlzeiten zu sich
  nimmt. Dabei kommt nicht selten heraus, dass die Kalorienzufuhr durch kleine Zwischenmahlzeiten,
  Naschereien und kalorienhaltige Getränke größer ist als durch die Hauptmahlzeiten. Das Weglassen oder
  Ersetzen (durch Obst, kalorienarme Riegel, kalorienlose Getränke) kann ausreichen, eine  
  Gewichtsreduzierung herbeizuführen. (H)
- schwache / fehlende Regelblutung in Verbindung mit Adipositas und verstärkter Behaarung: polycystische
  Ovarien [6].

Ärztliche Untersuchungen

- Bestimmung der Körpergröße (bei Spina bifida wird die Spannweite gemessen) und des Gewichtes zur 
  Berechnung des Body-Mass-Index (BMI)
- Ausschluss von Folgeerkrankungen (z.B. Gelenkverschleiß (Arthrose), Herz  Kreislauferkrankungen)
- Blutdruckmessung (Bluthochdruck?)
- Blutuntersuchung: Lipidstatus (Blutfettwerte, Cholesterin), Blutzucker, Harnsäure  
- Schilddrüsenfunktion (T4, TSH-basal u. nach TRH-Stimulierung)
- Nebennierenrinden-Funktion (Cortisol im Serum/Urin)
- Medikamenten-Vorgeschichte
- 7-Tage-Protokoll der (festen und flüssigen) Ernährung
- Soziale Gegebenheiten, psychische Befindlichkeit
- Dokumentation der körperlichen Bewegung / der Bewegungsmöglichkeiten

Weitere diagnostische Möglichkeiten

- Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) oder Dual-Energy X-Ray-Absorptiometrie (DEXA) zur Bestimmung der 
  Körperzusammensetzung
- Oraler Glukosetoleranztest zum Ausschluss eines Vorstadiums der Zuckerkrankheit (Prädiabetes)
- Ausschluss einer Nebennierenerkrankung (Dexamethason-Hemmtest)
- Ausschluss einer Störung der Schilddrüsenfunktion
- Elektrokardiogramm (EKG / Belastungs-EKG)
- Fragebogen zum Essverhalten (FEV)

Adipositas, Therapie Allgemein: Weil die Ursachen der A. noch weitgehend unbekannt sind, bestehen über jede Form der Therapie (oft heftig diskutierte) unterschiedliche Auffassungen. Die Schwierigkeit der Behandlung einer A. darf in keinem Stadium unterschätzt werden. Alle Empfehlungen haben derzeit zum Ziel: a) Aufnahme und Verbrauch von Energie möglichst durch eine frühzeitige Ernährungsberatung ausgewogen abzustimmen, b) jede Abweichung vom Normalgewicht früh zu erkennen, c) sofort zu behandeln und d) die Bewegung soweit wie möglich zu aktivieren. Voraussetzungen für einen langfristigen Therapieerfolg sind: Wissen über eine richtige Ernährung, die verlässliche Anwendung von Ess- und Trinkverhaltens reg eln, die Vermittlung von Erfolgserlebnissen durch realistische Zielsetzungen. Die aktive Teilnahme an der Umstellung der Ernährung der ganzen Familie ist eine wichtige Voraussetzung für einen dauerhaften Erfolg. Säuglingsalter: 1. Stillen. Gestillte Kinder neigen im Vergleich zu nicht gestillten Kindern (eindeutig) weniger zu Übergewicht [28]. 2. Striktes Beachten der Gewichtsentwicklung durch Führen einer Längen-/Gewichtskurve (vgl. Anleitung im Anhang), 3. beim ersten Abweichen der Gewichtskurve (im Sinne eines drohenden Übergewichtes) baldmöglichst qualifizierte Ernährungsberatung. Kleinkindalter:  Ein „gesundes, dickes Kind“ ist nicht gesund. Schwerpunkt der Therapie ist zunächst die Sensibilisierung der Eltern für ihre Vorbildfunktion. Schulkinder: Ziel ist zumindest die Gewichtsstabilisierung. Jugendliche und Erwachsene: Erstes Ziel ist die Verhinderung einer weiteren Gewichtszunahme und der Aufbau bzw. das Erhalten einer aktiven Mitarbeit. Eine Verminderung von 5 % des Ausgangsgewichtes gilt als ein realistisches Ziel, das mit Beharrlichkeit zu erreichen ist. Eine dauerhafte Gewichtsverminderung von 10 % nach allgemeiner Übereinkunft als außergewöhnliche Leistung. Bei bereits bestehenden Risikofaktoren (s.o.) ist die langfristige Gewichtsabnahme primäres Therapieziel.

Adipositas, Therapie: Einzelmaßnahmen:  1. Möglichst strikte Gewöhnung an kalorienfreie Flüssigkeit, weil ein Großteil der aufgenommenen Kalorien über Säfte, Limonaden usw. erfolgt. 2. Striktes Weglassen aller kalorienreichen Zwischenmahlzeiten (Snacks). 3. Nach genauer Erhebung der Nahrungszufuhr kontrollierte Ernährung mit den angegebenen Nahrungsmengen. 4. Reichlich kalorienarme Ballaststoffe (z.B. Salat) zu Beginn einer Mahlzeit vermindern wirkungsvoll den Appetit. 5. Möglichst fettfreie Kost. Durch „verstecktes Fett“ in Nahrungsbestandteilen wird meist ausreichend Fett zugeführt. 6. Ermöglichen, Erhalten und Verbessern der Mobilität durch Physiotherapie (Bewegungstherapie) und Sport [155]; diese Maßnahmen sind sicher wichtig, treten aber in ihrer Bedeutung entgegen den möglichen Erwartungen hinter der einer Regulierung der Ernährung zurück. 7. Medikamente: Eine ursächliche medikamentöse Therapie (mit Seroto­ni­ven-Antagonisten, Lipase-Inhibitatoren, ß-Re­zep­­tor-Agonisten usw.) ist erst in Ansätzen möglich und vielleicht ausnahmsweise vorübergehend im Rahmen eines umfassenden therapeutischen Konzeptes ab einem BMI von 30 nur unter ärztlicher Aufsicht zu empfehlen. Die medikamentöse Behandlung mit „Appetitzüglern“ und Schilddrüsenhormonen ist wegen der erheblichen Nebenwirkungen aufgegeben worden [25]. 8. Chirurgische Maßnahmen: a) Magenband (LAGB): Der Mageneingang wird durch ein Silikonband eingeengt. b) Die aufgenommene Nahrung wird (durch einen chirurgischen Eingriff) direkt in den Zwölffingerdarm eingeleitet; hierbei wird der Magen umgangen. Beide Methoden tragen zu einer wesentlichen Verminderung des Gewichtes bei, können jedoch mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein. Auch die Langzeitauswirkungen sind nur wenig bekannt. Vor einer Operation ist eine umfassende und sorgfältige Beratung in Spezialeinrichtungen unerlässlich [201].

   
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