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Einführung

Im Gesamtkonzept der Führung von Patienten mit neuropathischer Harnblase bedeutet die

Harnumleitung über einen Konduit in der Regel das Eingeständnis des Versagens aller ausführbaren konservativen bzw. konservativ operativen Behandlungsmöglichkeiten. Die medizinische Notwendigkeit zur Harnumleitung ergibt sich bei drohender Einschränkung der Nierenfunktion.

Kolonkonduit bei Nils, 16 Jahre alt. (Abb. Übersicht mit Klebebandage, Befestigungsring, Stoma). Auch bei einem 6 Monate alten Kind besteht bereits eine gute Versorgungsmöglichkeit mit einer Klebebandage.

 

Konduit-Arten: Kolonkonduit / Ileumkonduit

Auf Langzeitbeobachtungen beruhende Vergleiche zwischen Kolonkonduit und Ileumkonduit ergaben wesentlich niedrigere Komplikationsraten beim Kolonkonduit, die im Wesentlichen darauf beruhen, dass

-  wegen der guten Blutversorgung auch kurze Kolonsegmente isoliert werden können (wesentlich geringere Gefahr von Restharnbildungen und den daraus folgenden Komplikationen);

- das Anlegen eines Antirefluxmechanismus möglich ist;

- anatomische Strukturen und physiologische Funktionen des Kolons erhalten bleiben (aktiver Harntransport durch Bolusbildung);

- Elektrolytverluste so gut wie nicht beobachtet werden;

- eine geringe Wachstumstendenz selbst bei engem Stoma besteht;

- Stomastenosierungen seltener auftreten.

 

Maßnahmen vor Anlegen des Konduits

Wenn irgend möglich, sollten orthopädisch operative Maßnahmen, vor allem im Bereich der Hüften, vor Anlegen eines Konduits abgeschlossen sein. Hingegen können sich beim Anlegen eines Konduits erhebliche Schwierigkeiten ergeben, wenn durch eine Hirnwasserableitung in den Bauchraum (ventrikulo-peritonealer Shunt) Verwachsungen, Zystenbildungen usw. entstanden sind. Für eine spätere selbstständige Versorgung des Patienten ist die richtige Lage des Stomas von großer Wichtigkeit. Das Stoma muss im Sitzen und Stehen direkt einsehbar und erreichbar sein. Es darf nicht in einer Bauchhautfalte versteckt liegen. Deshalb muss präoperativ die günstigste Stelle durch probeweises Tragen eines Beutels ermittelt und für den Operateur gekennzeichnet werden.

 

Postoperative Maßnahmen

Das Anlegen eines Stomas bedeutet für den Patienten stets einen wesentlichen Einschnitt in seine bisherige Lebensführung. Wenn auch meist eine pflegerische Entlastung erfolgt, so sind andererseits eine Anzahl pflegerischer Neuheiten zu erlernen. Die Dauer des stationären Aufenthaltes sollte in der Hauptsache davon abhängig gemacht werden, wie schnell der Patient bzw. die betreuende Pflegeperson die erforderliche Klebetechnik erlernt. Außerdem muss der Patient bzw. die Betreuungsperson über die erforderliche Nachsorge und die wichtigsten Komplikationsmöglichkeiten unterrichtet sein. Die Nachsorge muss lückenlos geregelt sein, wobei die Kontrollen zunächst kurzzeitig und je nach erreichter Selbstständigkeit längerfristig erfolgen können. Eine wesentliche Hilfe besteht darin (auf Wunsch), Kontakte zu anderen Stomaträgern zu vermitteln. Eine Sozialrechtsberatung sollte erfolgen (s.u.).

 

Pflege und Klebeanleitung

Vor Ankleben einer Bandage den Konduit gründlich entleeren, Reinigung der Haut um das Stoma mit Wasser und Seife. Lösungsmittel (z.B. Benzin) nur zum Entfernen von Klebering und Pflasterresten verwenden. Gutes Trocknen der Haut, während der Reinigung Stoma mit einem Mulltupfer verschließen. Möglichst eine dem Alter entsprechende Bandage wählen. Die Innenöffnung des Kleberinges muss möglichst genau der Stomagröße entsprechen. Bleibt Haut zwischen Stoma und Kleberinginnenrand frei, droht eine Reizakanthose (s.u.: Komplikationen).

 

Schlecht haftende Klebebandagen

Auftragen einer Schutzlösung, z.B. Tinctura benzoes (DAB). Tinctura benzoes nicht bei offenen Hautverletzungen verwenden (brennender Schmerz). Haftsprays haben sich bisher nicht bewährt. Tinktur leicht antrocknen lassen. Kurz vor Aufkleben der Bandage Verschlusstupfer vom Stoma nehmen. Läuft jetzt Urin über die vorbereitete Klebefläche, muss die Haut erneut sorgfältig abgetrocknet und mit Tinctura benzoes nachbehandelt werden. Cremes, Salben usw. im Bereich der Klebefläche beeinträchtigen die Haftfähigkeit der Bandage und sollten deshalb nur verwendet werden, wenn die Bandage nicht getragen wird (z.B. bei Hauttherapie wegen Reizakanthose). Beutel in der zu erwartenden Zugrichtung ankleben. Bei vorwiegend sitzenden Patienten: schräg nach außen. Bei vorwiegend stehenden und gehenden Patienten senkrechtes Anbringen der Bandage. Nur vollständige Bandagen tragen (Klebering, Klebepflaster, Haltegürtel). Regelmäßige Urinentleerung in 2-3- stündigen Abständen. Zur Vermeidung von Hautkomplikationen soll die Klebedauer auf 3-4 Tage beschränkt werden, auch wenn die Bandage länger kleben würde.

 

Materialien / Hilfsmittel

Klebebandagen

Üblicherweise werden Leichtgewichtbandagen mit PVC Einmalbeuteln verwendet. Dauerbandagen mit latexfreien Urinauffangbeuteln sind speziellen Indikationen vorbehalten (Unverträglichkeit von PVC oder allergische Reaktionen auf Kleberinge usw.). Klebebandagen werden ständig technisch weiterentwickelt. Über den neuesten Entwicklungsstand geben Sanitätshäuser Auskunft.

Leichtgewichtbandage mit doppelseitigen Kleberingen

Die Vergrößerung der Klebefläche ist mit zusätzlichen Klebepflastern (hiervon gibt es 2 Größen) möglich.

Vorteile: Verschieden große Klebebeutel für Kleinkinder und für Jugendliche bzw. Erwachsene. Verschieden große Kleberinge mit unterschiedlichen Innenlöchern, vollständiges System mit Nachtbeuteln, relativ billig.

Nachteile: Direktes Aufkleben des Kleberinges auf die Haut, hierdurch allergische Reaktionen.

Leichtgewichtbandage mit einer Klebefläche direkt am Beutel (Zwischenringe)

Vorteile: Etwas größere Klebefläche, Beutelarten mit aufgegossenem Karaya Ring zur Behandlung von Reizakanthosen. Vollständiges System auch für Nachtversorgung.

Nachteile: Hautreizungen, Vergrößerung von Klebeflächen nicht möglich, relativ teuer.

Leichtgewichtbandage mit Gelatin Pektin Platten

(Stomahesive ® Platten, Combihesive ® System)

Vorteile: Weniger Hautallergisierungen.

Nachteile: Die relativ feste Grundplatte führt an den Kanten leicht zu mechanischen Hautverletzungen. Beim Combihesive System kommt es nach Auflösen der klebenden Grundplatte durch den eingegossenen harten Rastring zu mechanischen Hautverletzungen, was die Dauer der Tragefähigkeit der Bandage beeinträchtigt; komplizierter Beutelverschlussmechanismus, teuer.

Saugende Inkontinenzvorlagen (Windeln)

Wenn die Bandage wegen Hautkomplikationen nicht getragen werden kann, ist die Verwendung von Windeln notwendig. Wichtig ist, dass der Patient weiß, welche Art von Windeln für ihn zur Verfügung steht. Windeln sind verordnungsfähig (s.u.).

Pflegemittel

Hierzu gehören: Hautöle, Hautcremes, Mulltupfer, Reinigungsmittel, Desodorantien usw. Da auch diese Mittel dazu beitragen, einen Krankheitszustand zu mildern oder zu beseitigen, sind sie verordnungsfähig.

Unterlagen

Einmalunterlagen (z.B. Moltexal ® Krankenunterlagen) oder kombinierte Filzgummiunterlagen (z.B. Suprema Krankenunterlage) gehören zur Grundausstattung des inkontinenten Patienten und sind verordnungsfähig.

Baumwollschutzhülle, in die der Urinauffangbeutel gelegt wird, um an der Auflagestelle zwischen Kunststoffbeutel und Haut Schwitzen zu vermeiden.

 

Überwachung von Konduit-Trägern

Urinuntersuchung

Uringewinnung: Indikation: (Nur) zum Ausschluss einer fieberhaften Harnwegsinfektion.

Ausführung: Sorgfältige Reinigung des Stomas; bei empfindlichen Patienten eventuell Oberflächenanästhesie (z.B. mit Instillagel ®) bei eingeengtem Stoma (z.B. Reizakanthose), Stoma mit Otoskoptrichter leicht spreizen. Sterilen Einmalkatheter (z.B. Frauen Einmalkatheter Ch 12, Durchmesser 4 mm) möglichst tief in den Konduit einführen. Gleichzeitig die Tiefe des Konduits messen. Urin sofort verarbeiten. Beurteilung des Konduit-Urins: Flockiger Urin: Meist physiologische Schleimabsonderung aus den reichlich im Kolon vorhandenen schleimproduzierenden Becherzellen. Leukozytenbeimengung (Leukozyturie): Kein eindeutiger Hinweis auf eine Infektion. Herkunft der Leukozyten meist aus den im Konduit nachzuweisenden Solitärknötchen (Noduli lymphatici solitarii). Nachweis signifikanter Keimzahlen: meist durch Verunreinigung im Bereich des Stomas. Ohne klinische Erkrankungszeichen ist eine Wiederholung der Untersuchung angezeigt. Bei identischen Befunden evtl. zeitlich begrenzte Spülung des Konduits mit Antibiotika oder Desinfizienzien. Intensiver Geruch des frisch gewonnenen Urins in Verbindung mit Leukozyturie und signifikanter Keimzahlvermehrung: Verdacht auf Konduit Infektionen (Reflux!). Blutiger Urin (Hämaturie): Meist harmlose Verletzungen der Darmschleimhaut beim Reinigen oder beim Einführen des Katheters. In Verbindung mit Absonderung fester Bestandteile sowie einem mikroskopischen Kristallnachweis: Verdacht auf Steinbildung (vgl. Komplikationen).

Nierenfunktion

Sonographische Untersuchung (bevorzugt) oder MAG III-Clearance (s.u.): Beurteilung: Nieren: Größe, Lage, Nierenbeckenkelche; Abfluss des Urins in den Konduit. Konduit: Lage, Länge (abnorme Verlängerung, Abknicken des K.), Abfluss aus dem Stoma. Häufigkeit der sonographischen / urographischen Untersuchung: Eine erste Untersuchung erfolgt nach Abschluss der Wundheilung ca. 6 Wochen postoperativ zur Beurteilung des endgültigen Operationsergebnisses. Weitere Untersuchungen: Bei komplikationsfreiem Verlauf im Jahresabstand und länger, Röntgenkontrollen möglichst durch sonographische Untersuchungen ersetzen.

Blutuntersuchung

Die Überprüfung von Blutwerten (Kreatinin, Harnstoff, Cystatin C, Elektrolyte, Base-Excess) sollte im Jahresabstand, bei Infektionen, schwerer Nierenschädigung usw. häufiger erfolgen. Die Blutentnahme erfolgt an sensibel gestörten Hautbezirken nach vorherigem Wärmebad.

Seitengetrennte (MAG III-) Clearance: Zu beurteilende Kriterien: Seitengetrennte Funktion der Nieren im Vergleich zum präoperativen Zustand. Zeitpunkt der Untersuchung: ca. einen Monat nach Anlegen des Konduits. Verlaufskontrollen: im Jahresabstand, bei Komplikationen (z.B. Hypertonie, Reflux, rezidivierende Infektion) häufiger.

Blutdruckmessung: Eine Messung des Blutdrucks soll mindestens 1x jährlich erfolgen.

 

Überwachung der Konduitfunktionen

Stomaweite

Die optimale Stomaweite dürfte bei 2 cm liegen. Die kritische Grenze für rezidivierende Komplikationen liegt bei einem Stomadurchmesser von ca. 1 cm, wobei dicke Bauchdecken und eine ungünstige Lage des Stomas weitere Risiken darstellen. Faustregel: Eine urologische Stellungnahme sollte erfolgen, wenn das Stoma nicht mehr die Weite einer (Mittel-) Fingerkuppe hat.

Konduit-Länge/Refluxprüfung

Orientierend kann die Länge des Konduits durch einen Frauen-Einmalkatheter erfolgen. Die genaue Lage, Länge, Restharnmenge und ein Reflux lassen sich durch eine Füllung des Konduits über die Hautöffnung (Konduitographie) ermitteln.

Bei einer Konduitlänge von mehr als 15 cm sind Komplikationen wie Restharnbildung oder Abknickung möglich. Zeigt sich eine deutliche Wachstumstendenz des Konduits in Verbindung mit weiteren Komplikationen (z.B. Stenose, Infektion usw.), ist eine operative Kürzung des Konduits zu erwägen.

Spiegelung

Etwa 10-15 Jahre nach Anlegen des Konduits ist jährlich eine Spiegelung des Konduits angezeigt.

Urinabfluss

Der Konduit soll lediglich den Urin nach außen ableiten. Jede größere Urinspeicherung bedeutet eine pathologische Restharnbildung und ist als Grundlage für Komplikationen anzusehen. Erkennbar wird eine pathologische Urinspeicherung an einer schwallartigen Entleerung bei Änderungen der Körperlage, durch Entleerung größerer Resturinmengen nach Legen eines Katheters, an Infektionshäufungen und Schmerzen. Die Ursachen der Störung lassen sich durch eine Darstellung des Konduits (Konduitogramm) abklären.

 

Komplikationen

Urininfektion

Klinisch bedeutsame Infektionen des funktionell ungestörten Kolonkonduits sind selten. Zur Beurteilung von Urininfektionen eignet sich nur der mit einem Einmalkatheter aus der Tiefe des Konduits gewonnene Urin.

Ursache: Verunreinigung des Urins durch a) Entnahme von nicht frischem Urin aus dem Urinauffangbeutel, b) Entnahme von Urin am Stoma; auch nach gründlicher Reinigung muss die Stomaregion als verunreinigt gelten; der Urin eignet sich demnach nicht zur Untersuchung, c) Bildung krankhafter Restharnmengen im Konduit; durch Harnabflussbehinderung bei Verengungen des Stomas (Stomastenosen) und durch Verlängerung oder Abknicken des Konduits kommt es zur pathologischen Urinspeicherung und damit zu Infektionen.

Unvollständiger oder fehlender Antirefluxmechanismus

Isolierte Refluxe bleiben meist klinisch stumm und sind nicht therapiebedürftig. In Verbindung mit einer Verengung des Stomas (Stomastenose) treten jedoch gehäuft Infektionen auf, was eine Revision des Stomas erforderlich macht.

Chronische Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis)

Eine chronische Nierenbeckenentzündung, die vor Anlegen des Konduits bestanden hat, kann auch nach seiner Anlage weiter bestehen und muss deshalb besonders sorgfältig überwacht werden. Therapie bei Urininfektionen: Lässt sich eine eindeutige Urininfektion nachweisen, sind zunächst die Möglichkeiten einer ursächlichen (kausalen) Therapie zu prüfen. a) Beseitigung eines bestehenden Harnabflusshindernisses, b) Therapie einer bestehenden Hautreizung (Reizakanthose), c) Aufweiten (Bougieren) des Stomas (problematisch, s.u.), d) operative Erweiterung des Stomas, e) Verlagerung des Stomas aus einer Bauchhautfalte, f) operative Kürzung des Konduits.

Ist keine Ursache erkennbar und scheinen operative Maßnahmen unverhältnismäßig, ist erst bei Hinweisen auf einen Reflux und eine Mitbeteiligung der Nieren eine medikamentöse Therapie sinnvoll. Die Dauergabe eines Antibiotikums (antiinfektiöse Dauerprophylaxe) ist wegen der Gefahr des Anzüchtens resistenter Keime bzw. allgemeiner (systemischer) Nebenwirkungen auf die postoperative Nachsorge sowie auf bestehende chronische Harnwegsinfekte (z.B. bei Reflux) beschränkt.

Stomaverengung (Stomastenose)

Ungehinderter Abfluss von Urin aus dem Konduit ist für die ungestörte Funktion unerlässlich. Eine Behinderung des Urinabflusses oder eine zunehmende (unerwünschte) Urinspeicherung wird erkennbar an a) Urinveränderungen (Infektion, pH Verschiebung, Geruchsbehinderung, Hämaturie bei Steinbildung, chronische Restharnbildung), b) schwallartiger Entleerung des Konduits bei Änderung der Körperlage oder Legen eines Katheters, c) Verschlechterung der Haftfähigkeit der Klebebandage, d) Häufung von Reizakanthosen an der das Stoma umgebenden Haut, e) abdominale Beschwerden. Ursachen: a) Ein primär zu klein angelegtes Stoma. Eine geringfügige zusätzliche Behinderung des Abflusses genügt bereits, Komplikationen auszulösen. b) Zunahme der Bauchdeckendicke. Die häufig vorhandene Körperbehinderung querschnittsgelähmter Patienten führt zu einer erheblichen Gewichtszunahme und damit zur Verdickung des subkutanen Fettgewebes, wodurch das Stoma in die Tiefe der Bauchdecke zurückgezogen (retrahiert) wird. c) Eine Verschiebung der tiefen und oberflächlichen Hautschichten am Stoma gegeneinander. d) Das »Durchhängen« des Konduits, wodurch eine Abknickung an der peritonealen Eintrittsstelle des Konduits entsteht. e) Die mechanische Einengung durch die Lage des Stomas in einer Bauchhautfalte. f) Frische, das Stoma umgebende akanthotische (s.u.) Hautveränderungen sowie narbige Folgezustände der Reizakanthose. g) Verwendung von einengenden Bandageteilen und unsachgemäße Verwendung von Klebebandageteilen.

Therapie: Aufweiten des Stomas durch Bougieren: Die Aufweitung des Stomas mit Hegar Stiften kann wegen möglicher narbiger Verengungen nur als „Notfallmaßnahme“ zur (vorübergehenden) Verbesserung des Urinabflusses empfohlen werden, a) bei Patienten, bei denen keine Narkose ausgeführt werden kann, b) bei stenosierenden Reizakanthosen (s.u.) bis zur Abheilung der Hautveränderungen, c) als Test vor einer operativen Erweiterung des Stomas, d) als therapeutische Begleitmaßnahme bei wiederholt auftretenden Harnwegsinfektionen, e) als therapeutischer Versuch bei schlecht haftenden Bandagen (d.h. Beseitigung der Urininfektion mit dadurch bedingter, schlecht haftfähiger Bandage). Operative Stomaerweiterung: Bei wiederholt auftretenden Komplikationen am Stoma (Reizakanthosen, schlechte Haftfähigkeit der Bandage, häufige Urininfektionen) sollte eine operative Stomaerweiterung vorgenommen werden. Gleiches gilt für eine ungünstige Lage des Stomas unter orthopädischen Hilfsmitteln, z.B. Mieder, Gehapparaten. Stomaverlagerung: Ein ursprünglich an übersichtlicher Stelle korrekt angelegtes Stoma kann sich durch wachstumsbedingte Verschiebungen bzw. Verdickung der Bauchdecken sowie durch skoliotische Wirbelsäulenveränderungen verlagern. Auch hier ist eine Verlagerung des Stomas die praktikabelste Lösung.

Reflux

Der (beim Kolonkonduit seltene) Reflux bleibt im Allgemeinen klinisch stumm, wenn nicht gleichzeitig durch infizierten Restharn eine Infektion des Konduits sowie eine Niereninfektion entstehen. Die Therapie besteht somit im Allgemeinen in der Schaffung eines ungehinderten Harnabflusses (Stomarevision, Konduitresektion), vorübergehend auch in einer antiinfektiösen Therapie.

Verengung des Harnleiters (Ureterstenose)

Eine Einengung des Harnleiters (Ureterstenose) an der Einmündung des Ureters in den Konduit wird sonographisch, durch eine Darstellung des Konduits (Konduitogramm) und eine MAG III-Clearance (ausnahmsweise durch ein Urogramm) aufgedeckt. Die klinischen Symptome sind unspezifisch. Wenn durch eine wesentliche Behinderung des Urinabflusses eine Gefährdung der Nieren besteht, ist eine operative Revision unumgänglich.

Steinbildung im Konduit

Eine Steinbildung im Konduit ist bei intakter Konduitfunktion nicht zu beobachten, kann sich jedoch bei gleichzeitig bestehenden Harntransportstörungen ausbilden. Bei bestehender Veranlagung genügt bereits eine kurzfristige Ruhigstellung des Patienten oder eine chronische Obstipation, um eine Steinbildung auszulösen. Die Früherkennung der Steinbildung durch Nachweis von Blut im Urin (Hämaturie) ist gewährleistet, wenn der Patient in der Lage ist, selbst den Urin orientierend auf Blut und feste Bestandteile zu untersuchen. Neben der Entfernung vorhandener Steine ist vorbeugend die konsequente Ansäuerung des Urins (vgl. hierzu die Anleitung: Ansäuern von Urin) möglich. Eine eventuell bestehende Harntransportstörung ist zu beheben.

Krankhaftes Längenwachstum des Konduits

Eine chronisch bestehende Verengung des Stomas und die hierdurch bedingte Abflussbehinderung des Urins kann die Ursache für ein krankhaftes Wachstum des Konduits sein. Nach dem Ausmaß der Begleitkomplikationen muss entschieden werden, ob eine Raffung des Konduits sinnvoll und notwendig ist.

Raffung des Konduits: Ein zu starkes Längenwachstum eines Konduits führt zu Restharnbildung und zur Abknickung des Konduits am Stoma. Erst das Auftreten komplexer Störungen (z.B. wiederholt

auftretende Infekte, Reflux, Steinbildung) rechtfertigt die Konduitresektion.

„Reitender Konduit“

Bei Verlagerung des Konduits durch massive Obstipation, Blähungen, extreme Skoliose und mangelnde Bewegung kann der Konduit so stark angehoben werden, dass es zu Abknickungen der Harnleiter (Ureteren) und damit zu Störungen des Urinabflusses kommt. Die Folgen sind akute Stauungserscheinungen wie vorübergehende (!) Erhöhungen der Blutbestandteile, die über die Nieren ausgeschieden werden (harnpflichtige Substanzen), vorübergehende Blutdruckerhöhungen sowie Beschwerden im Bauch. Eine Verbesserung ist nur zu erreichen, wenn die auslösenden Ursachen behandelt werden.

Harnblasenvereiterung (Pyozystis)

Die Harnblase wird beim Anlegen eines Konduits im Allgemeinen belassen. Relativ häufig kommt es zu einer Infektion des stillgelegten Organes, erkennbar an eitrigen Absonderungen (bis hin zu schweren Empyembildungen). Gelegentliche leichtere Infektionen können mit ausgetesteten antibiotischen Spülungen beherrscht werden. Bei wiederholt auftretenden Infektionen und/oder Auftreten von Allgemeinsymptomen ist die Entfernung der Harnblase (Zystektomie) oder eine Zerstörung des Blasenverschlusses (Sphinkters) erforderlich. Bei Frauen ist eine breitere Verbindung zwischen der Harnblase und der Scheide zu erwägen. Die Langzeitüberwachung sollte jährlich einmal durch eine Betrachtung der Harnblase (Blasenspiegelung, Zystoskopie) erfolgen.

Hautkomplikation

Hautmazeration / Reizakanthose: Entstehung: Ständige Flüssigkeitseinwirkung (hier: Urineinwirkung) auf die Haut, z.B. bei trichterförmiger Einziehung des Stomas, führen zur Aufweichung der oberflächlichen Hautschichten und damit zur Ausbildung von Hautreizungen (Mazerationen, vgl. Abb.). Es bilden sich weißlich-graue Beläge über entzündlich veränderter, leicht blutender Haut. In Spätstadien können runde bis ovale, meist blasige, einzeln stehende Hautveränderungen (Reizakanthose) entstehen, die sich flächenhaft miteinander verbinden (konfluieren), tiefere Hautschichten erfassen, dann schmerzhaft werden, sich infizieren und bluten, vernarben und das Stoma einengen. Am häufigsten und schwersten tritt eine Reizakanthose in Verbindung mit dem Tragen einer Klebebandage auf, und zwar an dem unbedeckten Hautteil zwischen Schleimhaut des Stomas und dem inneren Rand des Kleberinges. Die Hautveränderungen können das Stoma bis auf eine Fistelöffnung einengen und so die Ursache für eine schmerzhafte Stomastenose sein, die sich jedoch nach Abheilen der Akanthose wieder vollständig zurückbildet. Aber: Narbige Folgezustände bilden sich nicht mehr zurück. Maßnahmen: Die einzig sinnvolle Therapie einer Reizakanthose besteht in der Beseitigung der Flüssigkeits-(Urin)einwirkung auf die Haut.

Therapie bei Verwenden von Klebebandagen: a) Verwenden von Kleberingen, deren Innenöffnung möglichst das ganze Hautareal abdeckt und somit schützt. Dies wird am ehesten durch Kleberinge gewährleistet, deren Innenloch der Stomagröße entsprechend ausgeschnitten werden kann. Stehen nur Kleberinge mit vorgestanzter Lochöffnung zur Verfügung, dann ist ein Klebering mit möglichst kleinem Innenrand zu verwenden. Wird mit dem Klebering nicht die gesamte veränderte Haut bedeckt, dann ist bei jedem Beutelwechsel der Klebering an einer anderen Stelle des Stomarandes anzukleben. Mit diesem Verfahren können auch kleinere Hautreizungen zugeklebt und damit zur Abheilung gebracht werden. b) Durch die Verwendung von Beuteln mit aufgegossenen wasserbindenden Karaja-Scheiben können die Hautveränderungen ausgetrocknet und die Haut vor weiterer Flüssigkeitseinwirkung geschützt werden. Täglicher Beutelwechsel ist jedoch sinnvoll. c) Einzelne Karaja-Ringe lassen sich, entsprechend zugeschnitten, mit gutem therapeutischem Erfolg eng um das Stoma anmodellieren. Allerdings verkleinern sie die Klebefläche des Kleberinges und beeinträchtigen so die Haftfähigkeit der Bandage. Gleiches gilt für die Verwendung von Karaja Paste. d) Gelatine Pektin Platten (Stomahesive) können bei leichten Reizakanthosen mit gleichem therapeutischem Nutzen individuell der Stomagröße angepasst werden und haben darüber hinaus den Vorteil, dass die Kleberinge nicht direkt auf die Haut geklebt werden müssen. Zu starre Platten heben sich leicht an den Bauchhautfalten ab. Außerdem kommt es an den Kanten der Platten zu mechanischen Hautverletzungen, ein Mangel, der durch Anpassen der Platte an vorhandene Hautfalten (Zuschneiden) und Unterkleben der Kanten mit Dermahesive Wundverband teilweise wieder ausgeglichen werden kann.

Infektionen: Soor, Pyodermien: Kann der Konduit-Urin nur mit Windeln aufgefangen werden, kommt es bei nicht ausreichendem Hautschutz, begünstigt durch die entstehende feuchte Wärme, zu Hautinfektionen. Als Erreger lassen sich vorwiegend Staphylokokken oder Candida albicans nachweisen. Bei der Therapie ist die Trockenlegung der betroffenen Haut vorrangig. Hautpräparate mit speziellen Wirkstoffen beschleunigen den Heilungsvorgang.

Verstärktes Schwitzen der Haut an der Auflagestelle des (Kunststoff-) Beutels mit oder ohne Hautreizung an der Auflagestelle des Beutels an der Haut. Therapie: Auffangbeutel in einer Baumwolltasche (verordnungsfähiges Hilfsmittel) tragen. Trichterbildung durch Verlagerung/Einziehung des Stomas bei Verdickung der Bauchdecke: Bei Verdickung der Bauchdecken werden die äußere Stomaöffnung und damit die Bauchhaut in die Tiefe gezogen. So entsteht eine trichterförmige Hauteinziehung, an der es unter ständigem Urineinfluss zu einer chronischen Hautreizung (Mazerationen, Reizakanthose, s.o.) und damit zu einer erheblichen Einengung des Stomas kommen kann.

Maßnahme: Nur durch eine operative Stomarevision, durch die das Stoma wieder in das obere Hautniveau angehoben wird, lässt sich eine befriedigende Dauerlösung erreichen.

Mechanische Hautverletzungen: a) Druckstellen an der Kante von Kleberingen. Therapie: Kanten mit nierenförmigen Klebepflastern unter- oder überkleben. b) Druckstellen an der Kante von Stomahesive Platten. Therapie: Kanten der Platte entsprechend dem Verlauf der Bauchhautfalten zuschneiden und/ oder mit nierenförmigen Klebepflastern bzw. Dermahesive Wundverband Streifen unterkleben. c) Hautverletzungen an Kanten des Haltegürtels. Therapie: Breiteren (8-10 cm) Gürtel nach Maß anfertigen lassen. Bekleben der gefährdeten Hautstellen mit hautfreundlichem Pflaster, z.B. Leukosilk, oder Kunsthaut (z.B. Dermahesive ® -Wundverband, Opsite ® flexi-fix).

Allergische Reaktionen: Obschon hautfreundliche Hautkleber bei Kleberingen und Klebeflächen verwendet werden, sind allergische Hautreaktionen möglich. Maßnahmen: Je nach Schwere der Komplikation kann die Bandage vorübergehend nicht getragen werden. Das zeitig begrenzte, kontrollierte Auftragen cortisonhaltiger Cremes ist sinnvoll, wahlweise kann versucht werden, die Reaktion unter Gelatine Pektin Haftplatten zur Abheilung zu bringen. Kommt es wiederholt auf das gleiche Klebemittel zur allergischen Reaktion, ist ein anderer Bandagentyp zu verwenden.

Mangelnde Haftfähigkeit der Bandage:

- Der Haltegurt wird wegen Belästigung (z.B. Einschneiden in die Haut, Verletzung, ständiges Verrutschen) nicht getragen. Maßnahme: Anfertigung eines breiteren Gürtels, Bekleben der verletzten Hautstellen mit hautfreundlichem Pflaster.

- Der Haltegurt sitzt nicht straff genug: hierdurch verrutscht die Bandage oder sie reißt ab. Maßnahme: straffes Anziehen des Gürtels, hierfür evtl. breiteren Gürtel anfertigen lassen.

- Die Klebefläche ist zu klein. Maßnahme: Größeren Klebering, größere Klebepflaster verwenden oder Klebefläche zusätzlich mit Klebepflastern vergrößern.

- Verstärkte Behaarung im Bereich der Klebefläche. Maßnahme: Sorgfältiges Rasieren der Klebefläche.

- Verunreinigung der Klebefläche. Maßnahme: Sorgfältiges Reinigen der Hautregion mit Wasser und Seife. Cremes, Salben, Lotionen usw. (außer Tinctura benzoes) nur verwenden, wenn Bandage nicht getragen wird.

- Zu hohe mechanische Beanspruchung der Bandage durch zu großes Beutelgewicht. Maßnahme: Regelmäßige kurzfristige Beutelentleerung.

- Zu hohe mechanische Beanspruchung durch Bewegung (vor allem bei Krabbelkindern, beim Gehen mit Apparaten oder beim Tragen der Bandage unter einem Mieder kommt es zum Abscheren der Bandage). Maßnahme: Klebefläche vergrößern, Tragen straff anliegender Unterwäsche, Änderung orthopädischer Hilfsmittel.

- Die Klebefläche liegt in tiefer Bauchhautfalte. Maßnahme: Tragen straff anliegender Andruckplatten zur Stabilisierung des Stomas, eventuell operative Verlagerung des Stomas.

- Die Kanten der Klebeplatten heben sich in der Bauchhautfalte ab. Maßnahme: Klebematerial dem Verlauf der Bauchhautfalten entsprechend zuschneiden.

- Hautveränderungen (entzündlich oder mechanisch) im Klebebereich verkleinern die Klebefläche. Maßnahmen: zunächst ausreichende Therapie der Haut, Stoma vorübergehend mit Windel versorgen.

Geruchsbehinderung

- Durch Urin durch nicht ausreichende Hautreinigung. Maßnahme: Wenn möglich, tägliches Baden oder Duschen, sorgfältige Reinigung der Haut mit Wasser und Seife.

- Zu seltener Bandagenwechsel. Maßnahme: Bandagenwechsel alle 3-4 Tage spätestens. 1-2 Tabletten Aspirin in den Beutel geben.

- Undichte Beutel. Maßnahme: Wechsel des Klebebeutels.

- Urininfektion. Maßnahme: Urinsanierung und Beseitigung der Infektionsursachen.

 

Sozialrechtliche Fragen

Patienten mit einem Kolonkonduit sind sozialrechtlich »auf Dauer« behindert. Es kann, wenn nicht aus anderen Gründen bereits geschehen, beantragt werden:

- Beim Versorgungsamt die (Neu-)Feststellung des „Grades der Behinderung“ in Verbindung mit Hilfsbedürftigkeit. Querschnittsgelähmten Patienten wird in der Regel eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100% zuerkannt.

- Beim Versorgungsamt ein Schwerbehindertenausweis mit Vollendung des 1.Lebensjahres: Der Ausweis berechtigt Vergünstigungen im Nahverkehr, bevorzugter Abfertigung bei Behörden usw. Voraussetzung für die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises ist die Feststellung eines

„Grades der Behinderung“ von mindestens 50%.

- Beim Sozialamt (einkommensabhängige) Sozialhilfe.

- Beim Finanzamt ein Freibetrag, dessen Höhe nach dem „Grad der Behinderung“ und der Hilfsbedürftigkeit festgesetzt wird.

- Bei der Krankenkasse: Windeln, Bandagen, Pflegemittel und sonstige, den bestehenden mangelnden Körperzustand ausgleichende Materialien unterliegen der Leistungspflicht der Krankenkasse.

- Grad der Pflegebedürftigkeit: Mit dem Anlegen eines Konduits ergibt sich keine wesentliche pflegerische Entlastung, lediglich eine Verschiebung pflegerischer Maßnahmen. Deshalb ist eine Rückstufung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MdK) in eine niedrigere Stufe der Pflegebedürftigkeit sozialrechtlich nicht begründet.

 

Letzte Bearbeitung: 27.04.2014

   
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